Die atypische Depression

Erfolgreich im Beruf, Alltag im Griff, soziales Umfeld intakt — und trotzdem depressiv. Die atypische oder hochfunktionale Depression wird häufig über Jahre hinweg nicht diagnostiziert, weil Betroffene sich nicht zum Arzt trauen. Sie fühlen sich nicht „krank genug“. Menschen mit einer atypischen Depression meistern ihren Alltag nach außen recht gut — und leiden trotzdem.

Atypische Depressionen im Überblick

Die atypische oder hochfunktionale Depression folgt keiner „typischen“ Darstellung einer depressiven Störung. Im Allgemeinen leiden Betroffene an ähnlichen Symptomen wie Menschen mit Major Depressive Disorder (MMD), jedoch mit einem entscheidenden Unterschied: der sogenannten Stimmungsreaktivität. Mit anderen Worten, die Stimmung einer Person kann sich verbessern, sobald etwas Positives passiert.

Atypische Depressionen, die heute als Depressionsstörung mit atypischen Merkmalen bezeichnet werden, sind weit verbreitet. Im Gegensatz zu anderen Formen der Depression sprechen Menschen mit atypischer Depression möglicherweise besser auf Antidepressiva an, die als Monoaminoxidasehemmer (MAO) bezeichnet werden. MMD mit atypischen Symptomen wird oft bereits in den Teenagerjahren diagnostiziert.

Symptome einer atypischen Depression

Zusätzlich zu den Kernsymptomen der Depression können bei Menschen mit atypischer Depression auch die folgenden Symptome auftreten:

  • Stimmung hellt sich nach einem positiven Ereignis oder einer erfreulichen Nachricht vorübergehend auf
  • erhöhter Appetit und Gewichtszunahme
  • Schweregefühl in Armen oder Beinen
  • Gliederschmerzen
  • erhöhtes Schlafbedürfnis nachts oder tagsüber (Hypersomnie)
  • extreme Sensibilität gegenüber Ablehnung oder empfundene Kritik

Weniger häufige Symptome sind:

  • Schlaflosigkeit – Kopfschmerzen – Essstörungen

Oft wird die Phase der Müdigkeit mit Konzentrationstabletten überbrückt

Mögliche Ursachen einer atypischen Depression

Der genaue Grund, warum manche Menschen unter einer atypischen Depression leiden, ist nicht bekannt. Eine mögliche Ursache für eine atypische Depression ist ein Ungleichgewicht bei bestimmten Neurotransmittern, einschließlich Dopamin, Serotonin und Noradrenalin, die die Stimmung beeinflussen.

Andere Faktoren, die Ihr Risiko für atypische Depressionen erhöhen können, sind:

  • Familiengeschichte: Es ist wahrscheinlicher, dass bei Ihnen Symptome einer atypischen Depression auftreten, wenn andere in Ihrer Familie ebenfalls an einer Depression oder einer anderen Art von Stimmungsstörung leiden.
  • Bestimmte Erkrankungen: Litten Sie in der Vergangenheit an bipolaren Störungen, Angststörungen, körperdysmorphen Störungen oder sozialer Phobie, ist das Auftreten einer atypischen Depression ebenfalls wahrscheinlicher.
  • Substanzgebrauch: Eine Vorgeschichte von Substanzgebrauch oder -missbrauch kann die Wahrscheinlichkeit einer Depression erhöhen.

Diagnose

Eine korrekte Diagnose zu stellen ist ein entscheidender Schritt, um die Behandlung zu erhalten, die Sie oder Ihre Angehörigen benötigen. Leider gibt es im Gegensatz zu anderen Gesundheitszuständen keine Laboruntersuchung, Röntgenuntersuchung oder körperliche Untersuchung, die eine endgültige Diagnose liefern kann.

Eine fundierte Diagnose beinhaltet spezielle Tests, um alle Gesundheitszustände auszuschließen, die Symptome einer Depression verursachen und eine zugrunde liegende Ursache sein können. Dies kann eine Blutuntersuchung, eine Arzneimitteluntersuchung und bildgebende Untersuchungen (CT-Scan oder MRT des Gehirns) umfassen.

Zudem wird häufig ein Depressionstest angewandt, der während der Untersuchung von einem Arzt oder einer psychiatrischen Fachkraft, auf Papier oder mit einem digitalen Gerät durchgeführt werden kann. Der Arzt vergleicht Ihre Antworten und Symptome mit den diagnostischen Kriterien, die im Diagnose- und Statistikhandbuch für psychische Störungen (DSM-5) aufgeführt sind.

Laut DSM-5 müssen Betroffene mit depressiver Störung und atypischen Symptomen, die Fähigkeit aufweisen, sich in Reaktion auf ein positives Lebensereignis (Stimmungsreaktivität) vorübergehend besser zu fühlen, plus zwei der folgenden Kriterien für einen Zeitraum von zwei oder mehr Wochen:

  • übermäßiges Essen oder Gewichtszunahme – auffälliges Schlafbedürfnis
  • Müdigkeit, Schwäche und ein Gefühl der Schwere – intensive Ablehnungsempfindlichkeit
  • stark reaktive Stimmungen

Behandlung der atypischen Depression

Obwohl selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) und andere neuere Medikamente aufgrund ihres günstigen Nebenwirkungsprofils häufig die erste Wahl für die Behandlung von Depressionen sind, sprechen Patienten mit atypischer Depression tendenziell besser auf Monoaminoxidase-Hemmer (MA01s) an.

Einige häufige MAO-Hemmer sind:

  • Phenelzine (Nardil)
  • Tranylcypromin (Parnat)
  • Isocarboxazid (Marplan)
  • Selegiline (emsam)

Dennoch können SSRIs zuerst verschrieben werden, weil sie nicht das Potenzial für schwerwiegende Nebenwirkungen oder diätetische Einschränkungen haben. Um zum Beispiel potenziell tödliche Bluthochdruckschwankungen zu vermeiden, ist es notwendig, Nahrungsmittel und Getränke mit hohem Tyramingehalt während der Einnahme von MAO-Hemmern zu meiden.

Psychotherapie oder Gesprächstherapie sind ebenfalls wichtige Bestandteile des Behandlungsplans. Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) hat sich wissenschaftlich als wirksam bei der Behandlung von Depressionssymptomen erwiesen.

KVT kann Ihnen helfen, Stresssituationen besser zu lösen, mit negativen Gedanken und Emotionen umzugehen und Ihre Ängste zu bewältigen. Diese Fähigkeiten sind besonders hilfreich, wenn Betroffene auf die Wirkung der verschriebenen Antidepressiva warten.

Andere Arten von Psychotherapie oder Gesprächstherapie, die für atypische Depressionen eingesetzt werden können, sind:

  • Verhaltenstherapie
  • Kognitive Therapie
  • Dialektische Verhaltenstherapie
  • Einzel-, Gruppen- und Familientherapie – Psychodynamische Therapie

Alternativprogramme

Zusätzlich zu Medikamenten und Psychotherapie zeigen einige vorläufige Studien, dass bestimmte Kräuter und Ergänzungsmittel ebenfalls bei Symptomen einer Depression helfen können. Dazu gehören Fischöl, Johanniskraut, 5-HTP und Folsäure. Wenn Sie über Ergänzungsmittel nachdenken, sprechen Sie zuerst mit Ihrem Arzt. Einige Nahrungsergänzungsmittel und Kräuter könnten die Medikation beeinträchtigen.

Bewältigung einer atypischen Depression

Wenn atypische Depressionen Ihre täglichen Aktivitäten beeinträchtigen, ist die Zusammenarbeit mit Ihrem Arzt bei der Entwicklung eines Behandlungsplans, der Medikamente und Psychotherapie umfasst, ein guter erster Schritt. Darüber hinaus gibt es Modifikationen des Lebensstils, die die Symptome lindern und Ihnen helfen, besser damit umzugehen.

  1. Priorisieren Sie Ernährung und Bewegung. Wenn Sie sich nach besten Kräften an eine gesunde Ernährung halten und regelmäßig Sport treiben, verbessern Sie Ihre allgemeine Gesundheit und lindern die Symptome einer atypischen Depression.
  2. Üben Sie Achtsamkeitsmeditation und tiefes Atmen. Atemübungen in Kombination mit Achtsamkeitsmeditation können Ihnen beibringen, sich Ihrer Gedanken und Gefühle bewusst zu werden, ohne auf sie zu reagieren.
  3. Schreiben Sie ein Tagebuch. Journaling oder expressives Schreiben sind sehr empfehlenswerte Werkzeuge für den Umgang mit Depressionen. Unabhängig davon, ob Sie es täglich oder wöchentlich tun, kann es Ihnen helfen, Ihre Gefühle zu erforschen und vielen negativen Auswirkungen von Stress entgegenzuwirken.
  4. Bitten Sie um Unterstützung. Eine starke soziale Unterstützung ist vielleicht ist das Wichtigste, was Sie tun können, um mit Depressionen
  5. umzugehen. Dies kann vertrauenswürdige Familienmitglieder und Freunde oder eine Online- oder persönliche Depressionsgruppe umfassen, mit denen Sie Ihre Gefühle und Erfahrungen teilen können.