Beifussrauch gegen Beschwerden (Moxbustion)

In der modernen Schulmedizin besteht seit etwa einhundert Jahren die Tendenz, bei der Ausbildung der Ärzte auf eine immer intensivere Spezialisierung zu setzen. Vor allem in der Intensivmedizin macht dies auch sehr viel Sinn. Denn das Wissen, das wir durch ausgedehnte und jahrzehntelange Forschungen zusammengetragen haben, ist derart immens und detailliert, dass es in seiner Tiefe kaum von einer Person alleine erfasst werden kann. Vor allem wenn eine Person an einer sehr seltenen Erkrankung leidet, kann meist erst nach der Untersuchung beim Spezialisten eine gesicherte Diagnose erstellt werden.

Kritiker stört es, dass durch eine solche Denkweise der Gesamtheit des Individuums nicht Rechnung getragen wird und man durch solch eine isolierte Betrachtung von Symptomen den meisten Krankheiten nicht gerecht werden kann. Dadurch besteht die Gefahr, dass die Schulmedizin anstatt zu heilen ihren Fokus immer mehr auf die reine Bekämpfung von Symptomen und Beschwerden legt.
In der Naturheilkunde wird der menschliche Körper als ein hoch kompliziertes System verstanden, in dem die verschiedensten Strukturen miteinander vernetzt sind. Um Heilung zu erzielen, muss im Organismus ein harmonisches biologisches Fließgleichgewicht wiederhergestellt werden.

Dazu kommen sehr viele verschiedene Therapieverfahren zum Einsatz. Die moderne Naturheilkunde greift dabei nicht nur auf den reichen Erfahrungsschatz der abendländischen Medizin zurück, sondern unter anderem auch auf die so genannte traditionelle chinesische Medizin.

Ein sehr wirkungsvolles Verfahren haben die Ostasiaten mit der Moxibustion entwickelt. Auch wenn der Begriff Moxibustion aus dem Japanischen abgeleitet ist, so wurde das Verbrennen von Moxazigarren zuerst im Norden Chinas angewendet. Wie so vieles anderes auch gelangte auch die Moxibustion im Laufe der Geschichte auf die japanischen Inseln, wo sie weiter entwickelt und perfektioniert wurde.

Wie die meisten ostasiatischen Therapien beruht auch die Moxibustion auf dem Gesundheitsverständnis, das wir durch andere Therapien, wie der Akupunktur oder Akupressur kennen. Ihr liegt das Prinzip der Lebensenergie Chi zu Grunde. Diese Energie ist zum einen schon vorgeburtlich in uns, wird aber auch als Nahrung und über die Atmung aufgenommen.
Einmal aufgenommen, durchfließt diese Lebensenergie unseren Körper auf energetischen Bahnen. Diese Energiebahnen werden Meridiane genannt. Jedem dieser Meridiane ist ein Organ zugeordnet. Dieses Organprinzip lässt sich sehr gut mit unserer Vorstellung von Organen vergleichen, ist aber teilweise deutlich tiefgehender. Denn außer dem reinen Organ sind noch verschiedene verwandte Aspekte mit einem Meridian verkoppelt.

Betrachtet man sich als Beispiel einmal den Blasenmeridian, so ist diesem zunächst einmal das tatsächliche Organ, also die Blase zugeordnet. Aber das Verständnis für diesen Meridian geht weiter. So wird der Blasenmeridian energetisch betrachtet, durch den Nierenmeridian zu einem Funktionskreis kombiniert. Beide werden als verschiedene Ausdrucksformen der gleichen Energie verstanden. Der Nierenmeridian ist gewissermaßen der Yin-Ausdruck der gleichen Energie, die durch den Blasenmeridian ihren Yang-Ausdruck findet. Beide Meridiane sind dem Element Wasser zugeordnet.

Dem Element Wasser werden in der TCM folgende Charaktereigenschaften zugesprochen: Zwanghaftigkeit, Pedanterie, Ordnungssinn, aber auch ein Kontrollzwang und existenzielle Ängste. Die Farben Schwarz und Blau stehen für das Wasser Element genauso, wie die Jahreszeit des Winters, die Ruhe und die Gewebsstrukturen der Knochen, Zähne und der Kopfhaare. Die Energien in unserem Körper durchlaufen die Energiebahnen zu einer festgelegte Tageszeit. Diese Zeit nennt man die Maximalzeit des entsprechenden Organs. Die Maximalzeit des Blasenmeridians ist von 15-17h. In dieser Zeit werden die Blase und alle ihr zugeordneten Strukturen maximal mit Energie versorgt.

Diese Wissen ist für den Therapeuten nicht nur wichtig, weil er damit bestimmen kann, wann die Behandlung des entsprechenden Meridians besonders wirkungsvoll ist, sondern auch bei der Diagnose ist es sehr hilfreich zu wissen, zu welcher Zeit die Beschwerden des Patienten am stärksten sind. Denn die Uhrzeit gibt auch einen Hinweis darauf, welches Organsystem zu viel oder zu wenig Energie erhält. Das kann unter Anderem zur Folge haben, dass nicht nur der betroffene Meridian selbst behandelt wird, sondern auch derjenige, der vor oder nach ihm liegt.

Beschwerden können nämlich aus verschiedenen Gründen auftreten. So könnte es sein, dass der Meridian selbst in seinem Verlauf einen Energiestau hat. Es ist aber auch genauso möglich, dass diese Energiebahn zu wenig Chi abbekommt, weil im ihm vorgelagerten Meridian ein Stau vorliegt. Eine andere Ursache ist aber auch denkbar, dass es in einem Meridian zu Störungen kommt, da die nachfolgende Leitbahn blockiert ist und sich deshalb im betroffenen Meridian ein Energiestau gebildet hat.

Je nachdem, ob zu viel oder zu wenig Energie vorliegt, spricht man von einem Fülle- oder einem Mangelzustand. Der Therapeut wird also bei der Behandlung eines Patienten sein Augenmerk darauf legen, dass genug Grundenergie im Umlauf ist, aber auch, dass der harmonische Fluss der Energien im Körper wieder hergestellt wird. Dazu hat er verschiedene Möglichkeiten. Ein Füllezustand kann notwendig machen, dass ein Ausleitungsverfahren angewendet werden muss, wenn das Auflösen von Blockaden alleine nicht genügt, um den Füllezustand zu beheben.

Genauso ist es oft nötig bei einem Mangelzustand nicht nur die Energie als solche wieder zum Fließen zu bringen, sondern dem Patienten zusätzliche Energie zuzuführen. Dies kann zum Beispiel über die Nahrung geschehen, vor allem bei Patienten, die unter einem allgemeinen Energiemangel leiden. Ist es aber notwendig punktuell Energie in den Körper einzubringen, haben sich das Abbrennen von Moxazigarren und andere Optionen der Moxibustion bestens bewährt.

Somit ist die Moxibustion also ein wirkungsvolles Instrument der TCM, genau wie die Ernährunglehre, die Kräuterheilkunde, die Akupunktur, die Bewegungstherapie und verschiedene Massagesysteme.
Genau wie bei der Akupunktur und andere Therapieformen, bedient sich auch die Moxibustion der Akupunkturpunkte, die auf den Meridianen gelegen sind. Aufgrund Jahrtausende langer Erfahrungen haben sich diese als sehr geeignet erwiesen, heilbringenden Einfluss auf die Energieleitbahnen zu nehmen. Nach der TCM vertreibt die Moxibustion Nässe und Kälte, die schädigend von außen auf den Körper wirken, ihn schwächen und krank machen. Weiterhin steigert sie den Blut- und den Qi-Fluss und stärkt schwindendes Yang. Ein starkes Yank stärkt den Körper und verhindert, das krankmachende Störfaktoren in den Körper eindringen können.

Doch auch die moderne Wissenschaft hat die Moxbustion ganz genau studiert und ist zu dem Schluss gekommen, dass die positivie Wirkung dieser Brenntherapie zum einen auf eine verbesserte Gewebedurchblutung basiert. Sie reizt den Körper zusätzlich, die Immunabwehr zu stärken und wirkt vegetativ ausgleichend. Über die auf der Haut liegenden Head’schen Zonen nimmt sie zudem direkten Einfluss auf die zugeordneten Organe.

Es ist in erster Linie die Tatsache, dass Beifuß beim Verbrennen eine milde und zugleich tief eindringende Wärme entwickelt, wegen der die dieses Kraut bei der Moxibustion Verwendung findet. Es glimmt nur, ohne Flammenbildung und verbrennt deshalb sehr gleichmäßig und langsam und ist damit ideal für diese Therapieform geeignet. Außer dem losen Kraut, kennt man Beifuß-Zigarren, -Kegel und -Hütchen, wodurch nicht nur die direkte Moxibustion, sondern auch indirekte Formen möglich werden. Im Gegensatz zu China, wo man in erster Linie nur die direkte Methode des Abbrennens von Moxakegeln kennt, die direkt auf den ausgewählten Akupunkturpunkt aufgesetzt wird, wendet man in Europa auch indirekte Methoden an. Dazu kann man zum Beispiel eine Moxazigarre anzünden und ihr glühendes Ende etwa 1-2 cm über der Haut des Patienten halten. Den genauen Abstand bestimmt dabei der Therapeut anhand der aktuellen Reaktion des Patienten. Die Behandlung des entsprechenden Punktes wird so lange fortgesetzt, bis auf der Haut an der entsprechenden Stelle eine Rötung entsteht und der Patient eine intensive Wärme empfindet.

Eine andere Form der indirekten Moxibustion kann man mit so genannten Moxanadeln erzielen. Dazu werden Akupunkturnadeln am oberen Ende mit kleinen Moxarollen versehen. Die Nadel wird wie bei der Akupunktur gestochen und danach das Moxa angezündet. Die metallene Nadel leitet dann die entstehende Wärme tief in den Akupunkturpunkt hinein, was diese Methode besonders intensiv macht.
Eine weitere Möglichkeit indirekt zu moxibustieren ist die, einen Moxakegel auf eine Schicht Salz, Ingwer oder Knoblauch zu setzen, die wiederum direkt auf der Haut aufliegen. Solch eine Schicht dient nicht nur als Isolation und verhindert damit, dass die Haut Blasen wirft. Die entsprechende Substanz kann einen zusätzlichen therapeutischen Effekt haben. So wirkt zum Beispiel Ingwer längerfristig wärmend, was den Effekt der Behandlung aktiv verstärkt.

Häufig findet auch der Moxakasten Einsatz. Dieses aus Holz oder Metall bestehende siebartige Kästchen wird mit dem glimmenden Beifußkraut gefüllt und etwa 5cm über der Haut auf der zu behandelnden Hautfläche entlang geführt. Besonders im Lenden- und Bauchbereich kann diese Form der Moxibustion als äußerst angenehm und wirkungsvoll empfunden werden.
Durch das Erwärmen der Akupunkturpunkte wird dem Körper Energie zugeführt. Sie ist also das Mittel der Wahl bei allen Erkrankungen, die mit einem Schwäche- und Kältegefühl einhergehen. Auch Erkrankungen, die mit einem verlangsamten und schwachen Puls vergesellschaftet sind, lassen sich wirkungsvoll mit dieser Therapieform behandeln. Schwächezustände, ein Mangel an Abwehrkraft, Asthma, Durchfall und Erschöpfungszustände sind Anwendungsfelder für die Moxibustion. Auch Durchblutungsstörungen, niedriger Blutdruck und wiederkehrende Infektionen sind gut mit Moxa behandelbar. Auch bei depressiven Verstimmungen können mit dieser Heilmethode sehr gute Erfolge erzielt werden.

Bei akuten Infektionskrankheiten, vor allem aber auch bei Fieber und akuten Entzündungen sollte man unbedingt auf die Moxibustion verzichten.

Auch wenn die Moxibustion ein Naturheilverfahren ist, kann man zumindest die direkte Moxibustion nicht gerade als sanfte Therapie bezeichnen. Denn durch das direkte Abbrennen des Beifußes auf der Haut kann es örtlich durchaus zu Brandblasen kommen. Diese sind erwünscht, weil sie für eine länger anhaltende Stimulierung im Körper sorgen, können aber auch Male auf der Haut zurück lassen.